Studie

Three dogs are sitting on the corner outside a restaurant

when a meat truck pulls up.  As the driver steps out to deliver the meat,

the dogs begin strategizing about how to get some for themselves.

One dog says, “I used to be a lawyer. Let me negotiate with the driver and

talk to him into giving us meat.” The second dog says, “I used to be an architect.

I know a secret passageway to the kitchen. I can lead us to the meat.”

The third dog says, “I used to be a college president.

I’m sure they will give us all the meat we want

if we just sit here on the corner and whine and beg.”

Cook (1998): xi

 

Wissenschaftslobbying – weißer Fleck auf rotem Tuch

 

Anfang des Jahres 2021 überrascht eine Nachricht die Wissenschaftskommunikation: Die Universität Freiburg erweitert ihr Rektorat um den Geschäftsbereich Kommunikation und Strategie. Damit hebt die erste deutsche Hochschule den Aufgabenbereich in die oberste Führungsetage. „Ein Strukturwandel in der Hochschulspitze, der so notwendig wie überfällig ist und der Maßstäbe setzt auch für viele andere Universitäten“ (Hartung 2021: o.S.). Nur ein halbes Jahr später ziehen die Technischen Universitäten (TU) Darmstadt und Dresden nach, es folgen die Universität zu Köln, die TU München (TUM), Braunschweig und Berlin, die Freie Universität (FU) Berlin sowie die Universität Jena (vgl. Bundesverband Hochschulkommunikation BV HKom 2023b; FU o.J.; Korbmann 2022a; TU Berlin o.J.). Unter den neuen Chief Communications Officer (CCO)[1] sind auch diejenigen Kommunikationsverantwortlichen, die im Jahr 2016 im BV HKom mit der Projektgruppe Politische Kommunikation die Diskussion zum Thema Lobbying für die Wissenschaft angestoßen haben (vgl. Wandt/Honecker 2016b).


Zu den vielfältigen Aufgaben der neuen CCO und ihren Teams gehört auch die Kontaktpflege zur Politik. Während Hochschulen und Wissenschaft kaum mit politischer Interessenvertretung in Verbindung gebracht werden, berichten Massenmedien regelmäßig über Lobbying von Seiten der Wirtschaft: von Abgeordneten, die Unternehmen zur Beschaffung von medizinischen Masken empfehlen, über Minister, die in den Vorstand eines Konzerns wechseln, bis hin zur Kampagne der Industrie gegen Maßnahmen zum Klimaschutz (vgl. Herrmann 2021; Mestermann 2021). Neuen Auftrieb hat die Berichterstattung über Lobbying durch das lange diskutierte und im Jahr 2022 veröffentlichte Transparenzregister des Bundestages bekommen (vgl. Schiffers 2021a). Stimmen hierzu kommen aus Politik und Wirtschaft, von Lobbyistinnen und Lobbyisten und aus der Politikwissenschaft. Sie formen ein Bild von Lobbying als zunehmend wichtige Aufgabe (vgl. MSL Group 2021) und gleichzeitig unlautere Handlung, betrieben in dunklen Hinterzimmern von finanzstarken Unternehmen und Wirtschaftsverbänden.[2]  


Politische Interessenvertretung als strategische Kommunikation von Organisationen und deren  Bedeutung für die Gesellschaft bleiben in der Debatte außer Acht, der Beitrag der Kommunikationswissenschaft fehlt. Das vorwiegend einseitige und negative Bild von Lobbying führt dazu, dass nicht  gewinnorientierte Einrichtungen politische Interessenvertretung scheuen oder gar ablehnen (vgl. Mai 2019: 11; Schmermund 2017: 296). Wissenschaftliche Studien zu politischer Interessenvertretung sind kaum vorhanden, schon gar nicht für Hochschulen und Forschungsorganisationen. Der weiße Fleck im Lobbying für die Wissenschaft macht Lobbying für die Wissenschaft zum roten Tuch.


 
[1] An der TUM lautet die Bezeichnung Vice President Global Communication and Public Engagement und ist verknüpft mit der Abteilungsleitung des Corporate Communication Center. Eine systematische Erhebung dazu, an welcher Hochschule es inzwischen CCO gibt bzw. wo die Kommunikation in die oberste Leitungsebene gehoben wurde, steht noch aus. Im Juni 2024 erschien erstmals ein öffentlich verfügbarer Beitrag mit einem Überblick über die Kommunikationsverantwortlichen der Universitäten "am Leitungstisch".

[2] Systematische Studien zur journalistischen Berichterstattung über Lobbying gibt es nicht. Die Aussagen hier beruhen auf der unregelmäßigen Auswertung von Google-Ergebnissen zum Stichwort Lobbying im Untersuchungszeitraum zwischen den Jahren 2017 und 2022. Eine standardisierte Inhaltsanalyse zu diesem Thema war nicht Teil der hier vorliegenden Studie.


Aus der Einleitung zur Dissertation (in Veröffentlichung)


Literatur:


Bundesverband Hochschulkommunikation (BV HKom) (2023b): Neuer Vorstand gewählt: Katja Barbara Bär ist neue Vorsitzende des Bundesverbandes Hochschulkommunikation. Pressemitteilung vom 11.09.2023. https://www.bundesverband-hochschulkommunikation.de/aktuelles/news/einzelnews/neuer-vorstand-gewaehlt-katja-barbara-baer-ist-neue-vorsitzende-des-bundesverbandes-hochschulkommunikation, zuletzt geprüft am 27.10.2023.


Cook, Constance Ewing (1998): Lobbying for higher education. How colleges and universities influence federal policy. Nashville: Vanderbilt University Press.


Freie Universität Berlin (FU) (o.J.): Chief Communication Officer der Freien Universität Berlin. https://www.fu-berlin.de/einrichtungen/praesidium/beauftragte/cco/index.html, zuletzt geprüft am 27.10.2023.


Hartung, Manuel J. (2021): Freiburg geht voran. In: DIE ZEIT, 21.01.2021.


Herrmann, Ulrike (2021): Die Spur der Korruption. Lobbyregister und Geld bei der Union. In: taz, 04.03.2021. https://taz.de/Lobbyregister-und-Geld-bei-der-Union/!5751031, zuletzt geprüft am 09.03.2021.


Korbmann, Reiner (2022a): „Chief Communication Officer“: Revolution oder Etikettenschwindel? Treffpunkt Wissenschaftskommunikation #WisskomMUC. In: Wissenschaft kommuniziert, 19.07.2022. https://wissenschaftkommuniziert.wordpress.com/2022/07/19/chief-communication-officer-revolution-oder-etikettenschwindel, zuletzt geprüft am 29.10.2023.


Mai, Manfred (2019): Interessenvertretung in der Wissenschaft. Hg. v. NRW School of Governance. https://regierungsforschung.de/interessenvertretung-in-der-wissenschaft, zuletzt geprüft am 10.02.2020.


Mestermann, Marius (2021): Scheitert die deutsche Klimapolitik an Lobby-Interessen? Republik 21. In: DER SPIEGEL, 17.06.2021. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/republik-21-podcast-scheitert-die-deutsche-klimapolitik-an-lobby
-interessen-a-197c2298-bce8-428c-8b26-abe6cb1ae979
.


MSL GROUP Germany GmbH (2021): MSL Public-Affairs-Umfrage 2021. https://mslgroup.de/wp-content/uploads/2021/09/
20210901_MSL_PA-Umfrage-2021_web.pdf
, zuletzt geprüft am 16.02.2022.


Schiffers, Maximilian (2021a): Illegitime Geschäfte in der „Coronakratie“ – ethische Perspektiven auf die Einflussnahme durch politische Entscheidungsträgerinnen und -träger. In: Zeitschrift für Politikwissenschaft (31), S. 469–477. https://doi.org/
10.1007/s41358-021-00270-7
.


Schmermund, Katrin (2017): Protestmärsche in Deutschland. In: Forschung & Lehre (4), S. 296.


Technische Universität Berlin (TU Berlin) (o.J.): Leitung Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni. https://www.tu.berlin/communication/ueber-uns/leitung, zuletzt geprüft am 27.10.2023.


Wandt, Julia; Honecker, Patrick (2016b): Lobbying. Einführung und Status Quo. Vortrag bei der Jahrestagung des Bundesverbands Hochschulkommuniaktion (BV HKom) an der Universität Göttingen am 16.09.2016.


LOBBYING FÜR DIE WISSENSCHAFT

Politische Interessenvertretung von Hochschulen und außeruniversitären Forschungsorganisationen
als strategische Kommunikation
Wissenschaft und Hochschulen sind von grundlegender Bedeutung für unsere Gesellschaft. Allerdings bestehen in den Einrichtungen selbst, in der Öffentlichkeit und in der Politik teils unterschiedliche Ansichten über Aufgaben und Leistungen von Forschung und Lehre. Exzellenzinitiative und Hochschulpakt, eine dauerhafte Unterfinanzierung sowie eine verstärkte Leistungsorientierung etwa durch Rankings setzen die Wissenschaftsinstitutionen unter Druck. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungsorganisationen haben auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre unter anderem mit einem deutlichen Ausbau der eigenen Öffentlichkeitsarbeit reagiert.

Doch reicht die Kommunikation über die Medien aus, um auf seine Interessen aufmerksam zu machen und diese auch durchzusetzen? Das hier vorgestellte Forschungsvorhaben untersucht mittels einer Vollerhebung im Rahmen einer Befragung, wie Wissenschaftseinrichtungen mit der Politik kommunizieren, mit dem Ziel, ihre Anliegen durchzusetzen, kurz: wie sie Lobbying betreiben.

Die Studie soll einen theoretischen Rahmen für die politische Interessenvertretung von Hochschulen und außeruniversitären Forschungsorganisationen liefern und die Aktivitäten in diesem Bereich einer umfassenden und – auch in Hinblick auf die Folgen für Wissenschaft und Gesellschaft – kritischen Bestandsaufnahme unterziehen. Neben theoretischen und empirischen Befunden ergeben sich Handlungsempfehlungen für die Interessenvertretung von Wissenschaft sowie Ansätze für die gesellschaftliche Debatte.

Forschungsstand
Auch wenn Lobbying in den Medien und in der Öffentlichkeit häufig und ausführlich diskutiert und geschrieben wird und meist Gegenstand heftiger Kritik ist, ist der gezielte Einfluss verschiedener gesellschaftlicher Gruppen auf die Politik in Deutschland theoretisch und vor allem empirisch unzureichend erforscht, und es gibt kaum aktuelle wissenschaftliche Literatur. Da der Begriff der Lobbyarbeit in Deutschland meist negativ konnotiert ist, sprechen die Autorinnen und Autoren eher von Interessenvermittlung, politischer Kommunikation oder Politikberatung. Die Begriffe werden oft durcheinander und willkürlich verwendet.

In der Kommunikationswissenschaft wird Lobbying als ein Teilbereich der Public Affairs verortet, der wiederum als Teilbereich der Öffentlichkeitsarbeit definiert wird. Während letztere inzwischen sowohl theoretisch als auch empirisch relativ gut erforscht sind, sind Public Affairs bisher nur unzureichend beschrieben. Die meisten Aussagen zu Public Affairs beziehen sich in erster Linie auf die Wirtschaft und lassen sich nicht ohne weiteres auf die Wissenschaft und ihre Organisationen übertragen.

Theoretische Ansätze
Da Lobbying in der Kommunikationswissenschaft als Public Affairs und damit als Teilbereich der Public Relations (PR) verstanden wird, stützt sich die hier geplante Arbeit insbesondere auf theoretische Ansätze aus der PR-Forschung. Die gesellschaftliche Funktion von PR und damit auch von Lobbying sowie die kommunikativen Beziehungen zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, also hier zwischen Wissenschaft und Politik, lassen sich mit Hilfe systemtheoretischer Ansätze beschreiben. Den Leistungen von Lobbying für Organisationen sowie den Aufgaben der Akteure, die Lobbying betreiben, nähert sich die Studie ähnlich wie die PR-Forschung mit organisations- und handlungstheoretischen Ansätzen.

Forschungsfragen

1.    Wie lässt sich Lobbying von Wissenschaftsorganisationen definieren? (Theorie)
2.    Welche Ziele verfolgen die Hochschulen dabei (Strategie)?
3.    Wer betreibt Lobbying von Seiten der Hochschulen (Akteure)?
4.    Wie schätzen die Akteure ihre Rolle ein (Berufliches Selbstverständnis)?
5.    Wie gehen die Hochschulen dabei vor (Instrumente)?
6.    Wen sprechen die Hochschulen an, wie gestalten sich die Beziehungen? (Bezugsgruppen)
7.    Welche Themen und Interessen kommunizieren sie dabei? (Inhalte)
8.    Welche Maßstäbe setzen die Hochschulen an ihr Vorgehen (Ethik und Qualität)?
9.    Wie bewerten die Hochschulen den Erfolg von Lobbying (Evaluation)?
10.    Wie hat sich das Lobbying im Laufe der letzten Jahre verändert (Entwicklungen)?
 
Forschungsdesign

1.    Vorstudie: Offene Befragung
Explorative persönliche oder telefonische Leitfaden-Gespräche mit ausgewählten Expertinnen und Experten der Hochschulkommunikation ausgewählter Hochschulen und außeruniversitärer Forschungsorganisationen zur Exploration des Feldes

2.    Hauptstudie: Standardisierte Online-Befragung
Vollerhebung unter allen Hochschulen und außeruniversitären Forschungsorganisationen mittels Online-Fragebogen
3.    Ergänzungsstudie: Hochschul- und Wissenschaftsverbünde
Standardisierte Online-Befragung unter ausgewählten Verbünden von Hochschulen und Wissenschaft, u.a. alle Landesrektorenkonferenzen

 

Auf einen Blick

Graphic Recording des Vortrags auf dem Forum Wissenschaftskommunikation am 6. Oktober 2021

Lorna Schütte für WiD

Posterpräsentation im Rahmen des Young Researcher's Day an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt im Juli 2022

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